Mein Versprechen – Eine Reise auf dem South West Coast Path, gewidmet meinem Ehemann
Lerne Ruth kennen – eine entschlossene und abenteuerlustige Frau, die sich allein auf den 1.014 Kilometer langen South West Coast Path gemacht hat. Nicht einfach nur so – sondern um ein Versprechen an ihren verstorbenen Ehemann Peter einzulösen. Ihre Geschichte erzählt von Kraft, Heilung, Naturverbundenheit und unvergesslichen Momenten entlang einer der schönsten Küstenrouten Englands.
Ein Versprechen
So lange ich denken kann, hatten Peter und ich diesen einen Plan. Ganz simpel – aber er gehörte uns: Sobald wir in Rente wären und unsere Kinder Sam und Hannah aus dem Haus, würden wir gemeinsam den gesamten South West Coast Path erwandern. Jeden einzelnen der 1.014 Kilometer.
Wir haben davon geträumt, darüber gelacht und die Kinder bei unseren Familienurlauben an die Küste mitgeschleppt – ob sie wollten oder nicht. Für uns war es mehr als nur eine Wanderung. Es war Freiheit, Lebensfreude, Zeit zu zweit. Unsere Zukunft.
Doch wie so oft kam das Leben dazwischen.
Im April 2013 wurde bei Peter – mit nur 53 Jahren – eine unheilbare Krebserkrankung diagnostiziert. Wir waren nicht bereit. Noch nicht in Rente. Die Kinder noch zu Hause. Aber Peter, wie immer voller Optimismus, stellte sich mutig Chemo und Bestrahlung – und schaffte es trotzdem, uns alle mit seinem Humor zum Lachen zu bringen.
Im September 2015 fuhren wir gemeinsam zu einer Familienhochzeit nach Poole. Dort spazierten wir noch einmal Hand in Hand am Studland Beach – bis zum offiziellen Ende des South West Coast Path.
Dort gab ich ihm mein Versprechen.
Am 3. September 2015 sagte ich zu Peter: „Eines Tages werde ich diesen Weg gehen – für uns beide.“
Dieses Versprechen hat sich tief in mein Herz eingegraben. Und über die Jahre, während langsam etwas Heilung einsetzte, wurde aus dieser Idee eine feste Entschlossenheit.
Fast zehn Jahre später – zu meinem 60. Geburtstag – war für mich klar: 2025 ist das Jahr, in dem ich mein Versprechen einlöse.
Minehead – Der Anfang von etwas Großem
Anstatt eine große Feier zu schmeißen, wollte ich Peter ehren. Mein Wort halten. Das Leben und unsere Liebe feiern. Ich würde den South West Coast Path allein gehen - von Minehead nach Poole. Nur ich, die Klippen, die Meeresbrise und tausend Erinnerungen.
Mit der Unterstützung von Familie, Freunden und AbenteuerWege, mit denen ich schon öfter unterwegs war, startete ich am 9. Mai. 60 Tage. 1.014 Kilometer. Jeder Schritt ein Tribut, jeder Ausblick eine Erinnerung, jeder Moment eine Meditation.
Ich sammelte Spenden für das Ashgate Hospiz, unser lokales Hospiz, dessen wunderbares Team Peter mit so viel Mitgefühl betreute – und das auch mir und den Kindern in dieser schwersten Zeit zur Seite stand. D Diese Wanderung war mehr als persönlich. Sie bekam einen Sinn. Und ich wollte mein Bestes geben.
In der Vorbereitungszeit trainierte ich im Fitnessstudio und baute meine Wanderdistanzen langsam aus.
Die Vorfreude wuchs. Ich freute mich auf die Meeresluft, auf das Unterwegssein in der Natur.
Aber mehr als alles andere sehnte ich mich nach der Stille - nach Momenten zum Nachdenken, um zurück und nach vorn zu schauen, und um einfach im Hier und Jetzt zu sein.
Die ersten Schritte
Schon die erste Woche war magisch. Ich fühlte mich klein – aber voller Leben.
Zwitschernde Vögel, blühende Küstenlandschaften, Wellenrauschen – ich wanderte durch ein lebendiges Gemälde.
Einmal ging ich einen langen, flachen Strand entlang – und ich dachte, das wird leicht. Ha! Wenn dir jemals jemand sagt, dass Sanddünen einfach zu gehen sind, glaub ihm kein Wort. Der Sand verschlang meine Stiefel, die Dünen zogen sich wie eine kleine Wüste dahin. Es war anstrengend, langsam, als würde ich durch Sirup laufen. Andere Tage bestanden aus Meilen von Asphaltwegen, und am Ende bekam ich meine erste Blase. Aber die Belohnung: ein legendäres Hocking’s Eis in Appledore. Ich saß grinsend auf einer Bank, Füße voller Sand, Eis in der Hand. Glück pur.
Besonders schön war die Unterkunft „Silver Cottage“ in Braunton – Gastgeberin Sophie hatte an alles gedacht. Später in der Woche gab es im Woolacombe Bay Hotel Luxus pur, inklusive Schwimmen und Sauna im Spa.
Als mein erster Pausentag kam, hatte ich buchstäblich und im übertragenen Sinne "Hummeln im Hintern". Ich war angefixt.
Den Rhythmus finden
Die zweite Woche brachte Sonnenschein, Weite – und Höhenmeter.
Ich sah den Sonnenaufgang über Clovelly um 5:23 Uhr und den Sonnenuntergang über Hartland Quay um 21:17 Uhr. Ein voller Tag, ein volles Herz.
Der Pfad war ruhiger, abgelegener. Ich begegnete wilden Ponys, Ziegen, sogar einem jungen Kreuzotter. Und anderen Wandernden, mit denen ich Gespräche und stille Momente teilte. Allein war ich nie – nicht wirklich.
Einer meiner Lieblingsetappen war die Strecke von Morwenstow nach Bude. Kurzer Abschnitt – viel Zeit zum Innehalten. Ich las am Strand, lauschte der Musik, streifte durchs Watt. Kinder lachten bei Wassersportkursen, Surfer jagten Wellen – ein Nachmittag voller einfacher, heilsamer Freuden.
Und ich merkte: Meine Kondition wurde besser. Die Anstiege, die mich anfangs aus der Puste brachten, fühlten sich plötzlich machbar an.
Am Ende der Woche traf ich Lisa – eine sympathische Wanderin aus den USA.
In Boscastle hatten wir Cream Tea – inklusive Scones – und gemeinsam bezwangen wir die Anstiege. Die Aussicht war atemberaubend, das Wetter hielt, und die Gesellschaft war Balsam für die Anstrengung.
Am Abend fiel ich glücklich ins Bett.
Küste und Kameradschaft
In der dritten Woche zeigte sich das Wetter von seiner launischen Seite – Sonne in einem Moment, Regen im nächsten. Aber selbst bis auf die Knochen durchnässt war es einfach fantastisch. Ich habe Robben gesehen, Flüsse überquert und stand auf hohen Klippen mit dem Wind in den Haaren.
Tag 15 war wie zwei Geschichten in einem – steile Auf- und Abstiege, bei denen ich manchmal auf allen Vieren klettern musste. Aber ich hatte etwas, worauf ich mich freuen konnte: Mein Partner Dave stieß in Port Isaac für vier Tage zu mir. Es war eine riesige Freude, diese Erfahrung mit ihm zu teilen. Natürlich drehte das Wetter pünktlich mit seiner Ankunft auf: 40 km/h Böen und horizontaler Regen. Aber gemeinsam war selbst das ein Erlebnis.
Manchmal, wenn’s hart wurde, erinnerte ich mich an ein Zitat von JFK: „Ich mache das nicht, weil es einfach ist, sondern weil es schwer ist.“ Dieser Satz hat mich mehr als einmal getragen.
An Tag 20, nach über 300 Kilometern, durchquerten wir die ikonischen, zerklüfteten Bergbau-Landschaften – verwitterte Schornsteine, dramatische Klippen – wie aus Poldark, einer Serie, die ich seit meiner Jugend liebe. Zuerst die Bücher von Winston Graham, dann die neuere TV-Serie. Es fühlte sich an, als würde ich durch eine Seite Geschichte und Fiktion zugleich wandern – und ich liebte jede vom Wind zerzauste Minute davon.
Wendepunkte
In Woche vier erreichte ich Land’s End – der Wendepunkt, im wahrsten Sinne des Wortes. Der Wind kam nun von hinten, trieb mich an. Alte Freunde kamen dazu, neue wurden gefunden, und die Natur hüllte mich in eine stille Umarmung.
Die Woche begann in St Ives, wo mich liebe Freunde zu einem Wiedersehen trafen. Wir verbrachten eine Nacht im Tinner’s Arms in Zennor – Peter liebte dieses Pub. Dort zu sitzen, mit einem Glas in der Hand, umgeben von Lachen und Erinnerungen.
Ich sah Kaulquappen und Bienen, beobachtete Schmetterlinge beim Tanz in der Luft und ging ins Kino, um Der Salzpfad zu sehen – sehr passend!
Später in der Woche traf ich meinen Schwager, und zusammen besuchten wir das Minnack Theatre, um Treasure Island zu sehen! Salz in der Luft und das Meer direkt hinter der Bühne. Es war einfach magisch.
Die fünfte Woche fühlte sich wie ein Meilenstein an. In Porthallow überquerte ich die Halbzeitmarke – 507 Kilometer. Fährfahrten, Flussdurchquerungen, regengetränkte Hügel – nichts konnte meine Stimmung trüben. Die Küste rund um The Lizard raubte mir den Atem – nicht nur wegen der Anstiege, sondern auch wegen ihrer atemberaubenden Schönheit. Ich übernachtete in wundervollen Unterkünften – besonders Penmenner auf The Lizard war ein Highlight.
Woche fünf begann allerdings auch mit einer Herausforderung: Schienbeinschmerzen. Jeder Schritt war ein kleiner Stich – eine Erinnerung daran, wie weit ich schon gekommen war und wie weit ich noch vor mir hatte. Aber meine liebe Freundin Debbie kam in Porthleven dazu, und wir gönnten uns gemeinsam einen wohlverdienten Ruhetag – mit Cafébesuchen und Kunstgalerien. Ihre Gesellschaft war genau das, was ich zum Auftanken brauchte.
Ein besonders harter Abschnitt: der Weg zwischen Lizard und Coverack. Fast wie ein Dschungel. Ich kämpfte mich durch mannshohes Farnkraut und dichtes Gestrüpp, aber ich schaffte es – dreckig, müde, strahlend.
Später in der Woche traf ich weitere Freundinnen – Heather und Martin – in Falmouth. Diese kleinen Wiedersehen unterwegs waren wie emotionale Tankstellen. Gerade genug, um meine Energie aufzufüllen und mich daran zu erinnern, wie sehr ich geliebt und unterstützt wurde (während wir gemütlich einen Cider tranken).
Alltagsmagie
Cornwall verabschiedete sich mit Sonnenschein und Gastfreundschaft. Woche sechs brachte Wärme, hübsche Hafenstädte und freche Möwen, die Pommes klauten. Ich schlenderte durch Looe und Gorran Haven, watete durch Buchten und überquerte die Grenze nach Devon mit Sonne im Gesicht und Peter in meinen Gedanken.
Es war wieder eine traumhafte Woche, voller Treffen mit Freunden und Familie – genau das, was ich brauchte, als die Tage länger wurden und meine Beine etwas müder. Es gab so viele Highlights: Die Derry Airs, die bei Sonnenschein Shantys sangen, die Wellen in Cawsands, das warme Gefühl tief in mir.
Der Übergang nach Plymouth fühlte sich irgendwie symbolisch an. Ich schlenderte am Hafen entlang, mit Blick auf den Plymouth Sound und hinüber zur Drake’s Island. Ich merkte, wie ich langsamer wurde – ich wollte jeden Schritt genießen. Es war einfach wunderschön.
Und dann - was für ein Weg, die Sommersonnenwende zu feiern. Zwei Flussüberquerungen und eine Fahrt mit dem berühmten Wassertraktor zur Burgh Island! Die Sonne schien, meine Haut war von der Sonne geküsst, und ich fühlte mich fit, gesund und tief zufrieden.
Ein Tag war besonders emotional – ich ließ die Tränen einfach fließen, aus Freude und aus Trauer. Es begann mit einem stillen, schönen Moment: Ein Rotkehlchen kam mich beim Frühstück besuchen. Ich sah es als Zeichen – ein kleiner Stupser vom Universum oder vielleicht von Peter. Es war der Auftakt für einen Tag voller Gefühl, an dem mich die Schönheit der Reise und das Gewicht der Erinnerungen gleichermaßen begleiteten.
In Salcombe anzukommen fühlte sich wie Heimkommen an. Ich blieb drei Nächte – eine wunderbare Pause an einem Ort, den wir als Familie immer geliebt haben. So viele glückliche Urlaube hier, so viele Erinnerungen an engen Gassen und goldenen Stränden. Ich hätte mir keinen besseren Ort wünschen können, um innezuhalten und zu reflektieren, wie weit ich gekommen war.
Ich begann zu hoffen, dass es nie enden würde...
Heimkommen
Woche sieben war voller Nostalgie. Von Plymouth nach Torquay durchstreifte ich Orte voller Familiengeschichte – Bigbury-on-Sea, Dartmouth, Salcombe. Ich kam an vertrauten Pubs und Stränden vorbei und musste lächeln bei all den Erinnerungen.
Der Weg war abwechslungsreich – sanft an manchen Stellen, gnadenlos an anderen. Aber ich war stärker geworden. Tag 50 rückte näher und ich fühlte mich unbesiegbar. Nicht im Superhelden-Sinn – eher so, als hätte ich mein Versprechen gehalten.
In Torquay feierte ich den 800-Kilometer-Meilenstein an einem sonnigen Nachmittag. Ich kam in meinem B&B in Torquay an und entdeckte, dass es einen beheizten Außenpool hatte. Nach Tagen voller Küstenanstiege und salziger Winde fühlten sich ein paar Stunden Schwimmen und Sonnenbaden wie der Himmel an. Am Abend sah ich Queen by Candlelight – eine spektakuläre, emotionale Show im Kerzenschein. Ganz ehrlich: Ich fühlte mich wie im Traum.
Aber zwischen all der Freude sehnte ichn mich nach Nähe – besonders nach Umarmungen.
Die Ziellinie
Am 10. Juli kam ich in Poole an. Sechzig Jahre alt. Sechzig Tage unterwegs. Der Kreis schloss sich.
Ich stand am Strand von Studland – genau wie zehn Jahre zuvor mit Peter. Ich spürte ihn überall – in den Wellen, im Wind, im Sand unter meinen Füßen. Er war jeden Schritt mit mir gegangen.
Ich hatte es geschafft. Für Peter. Für mich. Für das Versprechen.
Und ich war überglücklich. Am Ziel wartete meine ganze Familie – Lachen, Umarmungen und ein Picknick am Strand, das den ganzen Nachmittag dauerte. Es war herrlich. Lachen, sandige Zehen, Kuchen, Sekt in Pappbechern und diese besondere Art von Freude, die es nur gibt, wenn etwas wirklich zählt.
Ich war stolz. Nicht nur auf die Meilen, sondern auf die Bedeutung hinter jedem einzelnen Schritt. Und dank so vieler von euch – Freunde, Familie, Fremde, die Teil der Reise wurden – konnte ich über 9.000 Pfund für das Ashgate Hospice sammeln.
Vor allem aber habe ich mein Versprechen an einen ganz besonderen Menschen gehalten.
Was mir der Weg gegeben hat
Der South West Coast Path war mehr als nur ein Wanderweg. Er war Heilung. Er war Freiheit. Er war ein Raum zum Trauern, zum Lachen, zum Erinnern – und zum Träumen.
Ich habe unglaubliche Menschen getroffen, atemberaubende Landschaften gesehen und meine Grenzen ausgetestet. Ich habe gelernt, dass Einsamkeit nicht gleichbedeutend mit Alleinsein ist. Dass Liebe bleibt. Und dass gehaltene Versprechen ihren ganz eigenen Frieden bringen.
An alle, die sich fragen, ob sie es tun sollen – tut es. Das Leben wartet nicht, aber der Weg wird euch immer willkommen heißen.
The Ende (zumindest der Wanderung...)
Ein riesiges Dankeschön an Ruth, dass wir Teil einer so persönlichen und besonderen Reise sein konnten - und dass wir ihre Geschichte teilen dürfen. Sie ist eine echte Erinnerung daran, wie heilend die Natur und das Draußensein sein können. Ruth hat uns alle hier bei AbenteuerWege inspiriert – und hoffentlich auch dich.
Vielleicht ist Ruths Geschichte genau der Anstoß, den du brauchst, um dein eigenes Abenteuer zu starten – ganz in deinem Tempo, so wie es zu dir passt. Ob kurz oder lang, allein oder zu zweit – Hauptsache, du gehst los.
Und wenn du noch nicht weißt, wo du anfangen sollst oder Unterstützung bei der Planung suchst: Melde dich gern bei uns. Wir helfen dir gerne weiter.
